Die Platte des Jahres
PJ Harvey
Die «Platte des Jahres» zu küren, ist auf Musikredaktionen ein beliebtes, ja unverzichtbares Ritual. So einig wie zu diesem Jahresende war sich die internationale Gilde der Kritiker allerdings noch selten: PJ Harvey hat es mit «Let England Shake» auf den ersten Platz geschafft.
Und so ist der Triumph von «Let England Shake» in PJ Harveys zwanzigstem Karrierejahr hochverdient. Denn der haarfein gestrichelte Folksound des Albums, der wie ein britischer Nieselregen aus den Boxen kam, war die perfekte Kulisse für die ambitionierte Erzählung der zwölf Songs – für diese brockige und blutende, in hundertjährigen Wunden klaffende Saga über die englische Verstrickung in internationalen Krisen und Kriegen. Nur ganz selten hat eine politische Popplatte in den letzten zwanzig Jahren das Publikum und die Kritik derart zu überzeugen und zu ergreifen vermocht. Und als im Sommer zuerst in London und später in anderen britischen Städten die Aufstände und Raubzüge ausbrachen, klang das Album plötzlich, als schlage die Geschichte in der Hauptstadt zurück. Mitten in einem erschütterten Land. Es gab 2011 tatsächlich keine bessere, keine dringlichere Platte.
Ricotimi - 29. Dez, 10:55