Der Video am Sonntag
Joe Henry
Neun Minuten, das ist kein kurzes Leben. Wenigstens nicht in einem Song, man kennt ja die Beispiele, in denen die Leute im Verlauf einer einzigen Zeile auftreten und sterben. Hier, im Fall von «Sign», passiert es der Mutter des Sängers in Zeile vier, wir stecken noch mitten im Exposé: «I got his name», singt er über seinen Vater, «and killed his wife.» Doch was nun folgt nach der todbringenden Geburt des Sohnes, sind neun Minuten und ein ganzes Leben. Joe Henry lässt seinen namenlosen Sänger als Kind verstocken und schickt ihn dann in die Bergwerke, die schon seinen Vater in die Flucht getrieben haben und jetzt auch ihn: «They claim these hills, / But they can’t claim me.» Er wird Seemann und Soldat auf einem Kriegsschiff, er wird Trinker, geheimer Liebhaber, Assistent eines Arztes und Häftling.
Und dann, in den letzten zwei Minuten der letzten Strophe, ist alles vorbei, und was ihm bleibt ist nur noch die Erinnerung an ein Mädchen in der Schule, von dem er hoffte, es könnte lernen, seine Lippen zu lesen: «Please love me.» Und noch einmal ziehen die Bläser auf wie für einen Trauerumzug, dann sind auch sie weg, und der Song ist vorbei.
Ricotimi - 6. Jul, 10:27